„Na denn nimm doch mich!“, möchte sie ihm zurufen, seine Hand nehmen, an ihr Herz pressen und sagen „lass mich dein Anker sein, wenn es dir so schwerfällt“. Und vielleicht hätte sie es auch gesagt und diesem heißen Wunsch in ihrem Innern nachgegeben, wenn er nicht er wäre, sondern ein Anderer, der ihr davon berichtet, wie schwer es ihm fällt, im Jetzt zu leben, weil er keinen Anker hat und deshalb so viel Zeit in der Vergangenheit und Zukunft verbringt.
Seit Tagen schon setze ich mich regelmäßig hin, drinnen am Schreibtisch oder draußen auf der Terrasse, mit Laptop oder Schreibblock, morgens oder abends, um ein paar Gedanken zu Papier zu bringen.
Und es will einfach nicht gelingen. Ich starre wahlweise Bildschirm oder Papier an, aber diese Beiden sind geduldig und starren einfach zurück. Meine Finger sind auch nicht bereit, sich zu bewegen, solange der Kopf nicht das leiseste Signal dazu gibt.
Die Gedanken umkreisen mich, ziehen vorüber, so zahlreich wie ein Vogelschwarm und auch genauso frei und flatterhaft. Nicht einen bin ich imstande herauszugreifen, festzuhalten, zu betrachten, zu bedenken und niederzuschreiben.
Und so bin ich angefüllt von soviel Emotion und Gedanken, die sich keine Bahn und keinen Katalysator suchen.
Aber vielleicht ist das der Sinn - vielleicht sollte die Parole mal wieder lauten „fühlen statt denken“.
Was sind das für Blumen? will er wissen, während er die Terrasse inspiziert. Er meint die herrlich lilablauen, die so schön wuchern, seit sie angefangen hat sie regelmäßig zu düngen. Kurz überlegt sie, greift hinein in diesen wilden Wuchs, der in der prachtvollsten Farbe strahlt und sagt „Männertreu“. Gleich darauf wird sie sich einer Sache bewusst und wirft ihm einen verstohlenen Blick aus dem Augenwinkel zu, läuft innerlich rot an, beißt sich auf die Unterlippe und ist überzeugt davon, dass er sie mit einen spöttischen Blick bedenkt. Aber er sagt nichts, schaut nur und nickt leise vor sich hin.
Schon seit einiger Zeit wollte ich von meinem Fastenexperiment berichten. Jetzt, einen Monat später, war es sehr interessant, mir die Notizen noch einmal durchzulesen und jetzt endlich auch zu posten.
Entlastungstag / Dienstag, 21.04.2009
Gewicht: 70,6kg
Das Frühstück kommt mir sehr entgegen, denn so oder ähnlich frühstücke ich ohnehin jeden Tag: Vollkornbrot und Bircher Müsli. Ein schöner Bummel auf dem Markt, Sonne genießen, so ging der Vormittag ganz gut rum. Das Mittagessen war sehr lecker, unglaublich, wie gut ein paar Möhren mit leckeren Gewürzen schmecken können.
Den Tag über ständige Kopfschmerzen, ich schiebe es auf das Wetter, von vielen Leuten waren heute Klagen darüber zu hören. Zum Hungergefühl: es war schon leicht da, aber nicht in Form eines knurrenden Magens, wie ich es befürchtet hatte. So ganz habe ich den Entlastungstag nicht durchgehalten, zwischendurch gab es 2 Cornys, weil ich mich so „schwächlich“ fühlte. Aber im Großen und Ganzen fühlt es sich an, als hätte ich mich schon gedanklich voll umprogrammiert und käme gut mit der Umstellung klar.
1. Fastentag / Mittwoch
Gewicht: 70,2 kg
Das Aufwachen gelang mir ganz gut, ich versuchte „aktiv“ zu erwachen, wie es in den Büchern so schön beschrieben ist. Nach einiger Zeit stellte sich jedoch der Hunger ein und ich beschloss, lieber noch weiter zu schlafen. Nach dem zweiten Erwachen machte ich einen kleinen Morgenspaziergang. Danach kam das Glaubern. Ich bereitete mich auf den bevorstehenden Ekel vor, doch dann….nichts. So schlimm schmeckt es gar nicht, nur die letzten paar Schlücke waren dann schwierig. Die erwarteten Unannehmlichkeiten blieben aus. Die Herausforderung „Gemüsesuppe kochen“ ist mir gut gelungen, es tut mir nur im Herzen weh, das ganze gute Gemüse einfach wegzuwerfen. Ich darf ja leider nur die Brühe zu mir nehmen. An die Leberwickel-Siesta werde ich mich sehr gut gewöhnen können. Allerdings muss ich mit der Wärmflasche vorsichtiger sein, ich verzeichne leichte Verbrennungserscheinungen auf der Haut….
Vorherrschendes Gefühl heute: etwas müde, es ist, als ob es den Lidern sehr schwer fallen würde oben zu bleiben. Erstaunlicherweise kein physischer Hunger, oder nur ganz sachte und der lässt sich wirklich gut mit Tee bekämpfen. Aber Kopfschmerzen. Seit Mittag latente Kopfschmerzen, von denen ich mir aussuchen kann, ob sie wahlweise vom Wetter, Frauendingen, verstecktem Hunger (ergo: noch existierende Verdauungssäfte) oder doch vom Kaffeeentzug (huch!) kommen.
Manchmal schleicht sich nur ein fieser Gedanke an Essen in’s Hirn – es ist, als hätte ich so Kopfhunger „wie gut doch jetzt ein paar Nudeln wären…“ Noch bin ich sehr diszipliniert und bin mir sicher, dass ich nicht aufhören werde. Ich stehe ja auch grad erst am Anfang. Endlich einmal möchte ich diszipliniert sein und nicht den Grillen nachgeben. Das muss doch zu schaffen sein.
Von gesteigerter Vitalität ist bisher leider nichts zu bemerken, der Gang zum Briefkasten sorgte schon für merkwürdigen Aufruhr in Beinen, Herz und Kopf.
Später habe ich abends noch einen Spaziergang gewagt und es ging mir richtig gut damit. Es war ein richtiger Vanilla Sky und dazu Wind, und ich wäre am Liebsten gejoggt. Hach.
2. Fastentag / Donnerstag
Gewicht: 68,9 kg
Ich wache auf und lasse die Augen geschlossen. Ich bin wach und räkele so vor mich hin ohne die Augen aufzumachen, ohne wissen zu wollen, wie spät es ist. Direkt im Anschluss eine Kneipp-Kur in der Dusche. Ich bin echt so richtig wach, voller Energie, ohne Hunger. Mir geht es richtig richtig gut, ich hoffe, das bleibt so.
Den ersten Einlauf meines Lebens habe ich vollbracht. Tat nicht weh, war nicht im Mindesten irgendwie „dreckig“ – und so einfach, wie überall beschrieben. Auch dies wieder eine Hürde weniger.
3. Fastentag / Freitag
Gewicht: 68,4kg
Ohjeee, das Aufwachen fällt mir sehr schwer, die Lider sind wie zugeklebt, aber es hilft ja nix. Ich stehe auf und freue mich über das Nichtvorhandensein von Schwindel. Nach meinem Morgenspaziergang, gab es eine tolle kalte Dusche mit Massage und Öleinreibung. Danach wieder Einlauf. Ich kann nicht sagen, dass ich mich dadurch irgendwie „befreiter“ fühlen würde, wie ich es oft gelesen habe, aber es gehört eben dazu. Das Wort „Rückvergiftung“ hat sich nämlich unangenehm ins Gedächtnis gebrannt.
Sehr interessant fand ich heute die Anwandlungen von Appetit. Physischen Hunger habe ich Gott sei Dank nicht, woher auch. Aber Timmys Kekse ROCHEN so unglaublich gut. Ich glaube, ich habe zu viele Vampirbücher gelesen, ich komme mir ganz merkwürdig vor, weil ich plötzlich so Vieles rieche. Die Frage, woher der Appetit kommt, beschäftigte mich dann den ganzen Tag, aber einer Antwort komme ich irgendwie nicht näher. Ist es das Gefühl im Mund? Die mahlende Bewegung der Zähne, die breiige Masse auf der Zunge? Fehlt mir das? Ist es der Geruch? Riecht es einfach so verführerisch gut, dass man es einfach haben möchte? Ist es ein bisschen so wie der Pawlowsche Hund? Man riecht und geifert???
Oder ist es ein psychologischer Antrieb? Wollte ich mich irgendwie belohnen, an- oder auffüllen? Letzteres kann ich eigentlich für mich ausschließen – es geht mir sehr gut und ich bin auch ein bisschen stolz, dass ich es wirklich durchhalte.
Auch das ein interessanter Aspekt heute. Sicher weiß man, was beim Fasten passiert. Man verzichtet auf feste Nahrung. Ich habe vorher sehr viel dazu gelesen und mich auch mental sehr gut darauf eingestellt. Es dann aber tatsächlich zu erleben, dass man wirklich keinen Hunger hat, dass man nicht ständig überlegen muss, was esse ich als Nächstes, was bekomme ich heute noch für meine Punkte?, das ist eine unglaubliche Erfahrung. Der Satz „ich habe seit drei Tagen nichts gegessen“ hört sich in meinem Kopf immer noch sehr unwirklich an. Aber es geht! Man möchte es der ganzen (verfressenen) Welt zurufen: Leute, es geht auch ohne Essen!“
Ich hoffe, dass ich diese Erfahrung auch weiterhin für mein Essverhalten nutzen kann und mir die gewonnenen Einblicke in das Thema Hunger-Essen-Verdauung in der post Fastenphase weiterhelfen werden.
4. Fastentag / Samstag
Gewicht: 67,9 kg
Sehr gut gelaunt erwacht und nach Duschen, Kneippguss, Massage, Einölen und Einlauf, habe ich mich auf den Weg zum Markt gemacht. Tolle Sachen gekauft, sehr sehr viele Lächeln geerntet :-) Die Gerüche auf dem Markt waren echt umwerfend. Alles war so …so VIEL. Die Blumen, der Knoblauch, der Sellerie, die Erdbeeren. Wahnsinn.
Den Tag über habe ich mich ganz gut gefühlt, zum Abend hin wurde es dann zäh. Ständige Gedanken ans Essen. Über S-T-U-N-D-E-N! Nachts dann kurz vorm Einschlafen, habe ich bewusst den Entschluss gefasst, ein paar Teelöffel Joghurt zu mir zu nehmen. Mit geschrotetem Leinsamen. Ich habe ganz langsam gelöffelt und versucht, zu genießen. Genuss war nicht da, aber irgendwie Befriedigung durchs Kauen. Es tat gut. Der Gedanke, ob ich jetzt versagt habe, kam auf, wurde aber kurzerhand mit Nein beantwortet. Im Fasten geht es ja um den Dialog mit sich selbst. Und mein Selbst war eben zufriedener MIT dem Joghurt. So einfach ist das. Ich habe den Entschluss gefasst, morgen, am Sonntag das Fasten zu brechen. Ich fühle mich auch gut mit dem Gedanken, es ist gar nicht negativ besetzt.
5. Fastentag / Sonntag
Gewicht: 67,3kg
Heute total schlecht gelaunt aufgewacht. Ich habe versucht, das zu ergründen, denke aber nicht, dass es mit meinem kleinen „Rückfall“ von gestern Abend zu tun hat. Ich habe mich gestern BEWUSST dafür entschieden, es zu essen. Nach meinem Morgenwalk mit anschließender Dusche und Massage geht es mir total gut, ich bin super gelaunt und fit. Den Entschluss das Fasten zu brechen habe ich wieder aufgehoben. Heute geht es mir im Ganzen gut und ich möchte es bis morgen schaffen.
Den Tag habe ich mit sinnvollen Dingen verbracht, wie der Eigenprofilanalyse fürs Coaching zum Beispiel. Abends noch mal ein langer Spaziergang und Yoga zum Abschluss. Es war wirklich ein toller letzter Tag, auch wenn jetzt schon ein kleines bisschen Hunger nagte, den ich aber energisch vertrieben habe.
Der Drang, auch durch die Analyse, denke ich, mein Leben neu zu strukturieren und endlich anzupacken wächst sich weiter aus, und ich hoffe, das morgen gut einbringen zu können.
1. Aufbautag / Montag
Gewicht: 66,9 kg – Tiefstand seit 2003!!!!!!!
Nur so halbgar aufgewacht, aber nach dem Morgenspaziergang ging es mir echt super! Den Apfel zum Fastenbrechen habe ich genüsslich in 25 Minuten gekaut. Wow! Toller Geschmack! Und die Erfahrung, dass auch ein Apfel erstaunlich satt machen kann.
Einen mit Wasser verdünnten Kaffee in der Uni getrunken – eine Hammerwirkung, leichtes Herzrasen verspürt und nicht ausgetrunken. Ich werde demnächst damit vorsichtiger sein (ich habe meinen Kaffeekonsum jetzt zu einem großen Teil auf koffeinfrei verlagert).
Superglücklich wieder essen und KAUEN zu dürfen. Ich höre mehr auf meinen Magen, esse langsamer, ich hoffe, das kann ich beibehalten, denn die verlorenen Kilos sollen nicht mehr wieder kommen, wenn möglich (Die Kilos sind bis auf eines nicht wieder gekommen, und ich esse immer noch sehr langsam).
Wenn Bedächtigkeit nicht mehr mit langweilig gleichgesetzt wird, und hinter einer ruhigen leisen Stimme nicht gleich Scheu vermutet wird sondern eher Tiefgang, wenn man jemanden, den man so lange kennt, plötzlich mit anderen Augen sehen kann und sich an seiner Art erfreuen – ist man dann wieder ein bisschen mehr erwachsen geworden?
Assmann rannte. Rannte um sein Leben. Die letzten Tage und Wochen waren ungemütlich geworden für ihn und seine kleine Familie.
Es begann vor einigen Wochen. Ohrenbetäubender Lärm sprengte plötzlich die Idylle seiner kleinen heilen Welt. Die Erde vor, hinter und unter ihm begann für Stunden zu vibrieren. Assmann hatte Schwierigkeiten auf den Beinen zu bleiben und krabbelte zu Frau und Kindern. Doch es kam schlimmer. Denn nach dem Erdbeben kam das Wasser. Eine riesige Überschwemmung hob die Erde, das Pflanzenreich, alles um ihn herum löste sich auf und wurde vom Wasser weggeschwemmt. Auch seine Kinder. Assmann konnte nur hilflos zusehen.
Als sich die Umwelt wieder beruhigt hatte, begannen sie mit den Aufräumarbeiten. Entwurzeltes wurde wieder angewurzelt, oder besser gleich verarbeitet. Stein wurde wieder auf Stein gelegt, der Untergrund wurde mit tausend Füßen planiert.
Und nun das. Diesmal gab es kein Vibrieren aber etwas, ETWAS stach von oben herab und hub das Erdreich um ihn herum aus. Er rannte nach vorn. Da! Wieder fuhr es hernieder. Er machte kehrt und rannte in die andere Richtung. Falsch! Nun kam es von der anderen Seite. Blindlings erklomm Assmann die Mauer, die auf ein ebenes Plateau führte. Hier oben hielt er sich selten auf, viel zu heiß wurde der Untergrund durch die starke Sonne. Dort kamen ihm entfernte Nachbarn entgegen, also schien auch ihre Welt in Aufruhr. Alles rannte wild durcheinander, niemand wusste in welcher Richtung überhaupt die Rettung lag, liegen konnte. Gab es Rettung?
Scheißasseln, elendiges Urviecherkrabbelzeugs denkt sich Nora, während sie angeekelt fortfährt, die Fugen ihrer Terrasse mit einem suboptimal winzigen Vierkant zu reinigen. Warum sind die nicht gleich alle krepiert, als wir die Terrasse gekärchert haben.
Ein mummelwohliges Gefühl, so ein leichtes Kribbeln, das sich anfühlt, wie Katzen aussehen, wenn sie genüsslich schnurrend das Köpfchen gegen die streichelnde Hand drücken und die Augen dabei schlitzig schlitzen. So ein angenehmes Kribbeln läuft mir seit Minuten von den Haarspitzen bis zum unteren Rücken. Fast möchte ich selbst schnurren und die Pfoten abwechselnd rhythmisch in mein Schaffell versenken, weil es mir so sehr gefällt, den Regen auf meinen Dachfenstern perlen zu hören.